Die Uraufführung von Eine Nebensache nach einem Roman von Adania Shibli in der Regie von Oliver Frljić am 20/November im Gorki wird leider entfallen. Unsere Künstlerische Leitung hat dazu folgende Erklärung verfasst:
»Aufgrund von Dynamiken und Differenzen innerhalb des Casts und des künstlerischen Teams der Produktion sieht sich der künstlerisch verantwortliche Hausregisseur Oliver Frljić – dem Adania Shibli ihren Roman zur Adaption am Gorki anvertraut hatte – nicht in der Lage, die Arbeit an der Produktion weiter fortzusetzen.
Wir bedauern alle sehr, dass ›Eine Nebensache‹ von Adania Shibli am 20/November nicht zur Premiere am Maxim Gorki Theater kommen wird. Da dies unsere letzte Spielzeit ist, sehen wir leider nicht die Möglichkeit einer Verschiebung.«
Shermin Langhoff (Intendantin) & Johannes Kirsten (Chefdramaturg)
Es ist August 1949 in der Negev-Wüste, nahe der heutigen Grenze zum Gazastreifen. Ein Jahr ist seit der Nakba vergangen – der Katastrophe, die zur gewaltvollen Vertreibung und erzwungenen Ausweisung von über 700.000 Menschen aus Palästina führte. Ein israelischer Offizier hat nun den Auftrag, »neben der Absteckung und Sicherung der Südgrenze zu Ägypten gegen Eindringlinge und dem systematischen Durchkämmen des Südwestens des Negev, die Region von verbliebenen Arabern zu säubern.« Jeden Tag marschieren er und seine Einheit durch den Sand und kartographieren das Gelände. Vier Tage nach ihrer Ankunft stoßen sie auf eine Gruppe palästinensischer Beduinen und töten alle bis auf ein minderjähriges Mädchen, das in Gewahrsam genommen wird. Zurück im Lager vergewaltigen und ermorden die Soldaten sie. Jahrzehnte später liest eine junge Frau aus Ramallah in einer israelischen Zeitung einen investigativen Artikel, der diesen Vorfall aufdeckt. Fasziniert – ja geradezu besessen – von dieser Geschichte, ist die Palästinenserin erschüttert von der Tatsache, dass sich der Angriff genau 25 Jahre vor ihrer Geburt ereignet hat. Dieses nebensächliche Detail verbindet ihr Leben mit dem des Mädchens und führt sie auf eine Reise voller Hindernisse und Checkpoints, auf der Suche nach Spuren aus dem Leben des Mädchens.
In Eine Nebensache sucht Shibli nach Worten, um das Unbeschreibbare zu beschreiben. Ihr Schreiben schafft einen Raum, der nicht nur ein empathisches Verständnis der Erfahrungen der Opfer unerlässlich weckt. Vielmehr beleuchtet es die Lücken in der sogenannten objektiven Dokumentation und die kleinen Details, die oft übersehen werden. Damit hinterfragt sie hegemoniale Narrative und widersetzt sich jeder Form der Auslöschung.
Eine Nebensache erschien 2017 erstmals auf Arabisch, wurde für den International Booker Prize nominiert und in verschiedene Sprachen übersetzt.
Im Rahmen des 7. Berliner Herbstsalon bringt Oliver Frljić Eine Nebensache von Adania Shibli zur Weltpremiere auf die Bühne.
Uraufführung 20/November 2025
Im Rahmen des 7. Berliner Herbstsalon ЯE:IMAGINE: THE RED HOUSE
Foto: Esra Rotthoff