Pressemitteilung 5/November 2025

Räume für Erinnerung und Solidarität: Das Maxim Gorki Theater erinnert im Rahmen des 7. Berliner Herbstsalons im November mit Konzerten, szenischen Lesungen, Gesprächen und einem Kongress an das Dersim-Massaker 1937/38 in der Türkei und die kurdischen Freiheitskämpfe sowie an die Mordserie und Enttarnung des NSU, und mahnt uns vor dem Hintergrund des 9. Novembers an die Ausbreitung rechtsextremistischer Bewegungen.

Der Berliner Herbstsalon findet seit seiner ersten Ausgabe 2013 – als sich die Novemberpogrome des NS-Regimes gegen die deutschen Juden zum 75. Mal jährten – im Spannungsfeld zwischen dem 3. Oktober und dem 9. November statt. Am 3. Oktober 1990 trat die DDR der Bundesrepublik bei, heute ist dieser Tag Nationalfeiertag, Berlin hat sich auf den Weg gemacht europäische Metropole zu werden. Der 9. November ist Schicksalstag der deutschen Geschichte schlechthin: Vertreibung der ersten frei gewählten Preußischen Nationalversammlung (die zuvor im Gebäude des heutigen Gorki arbeitete) 1848, Novemberrevolution 1918, Hitlerputsch 1923, Reichspogromnacht 1938 und Mauerfall 1989.

Erinnerung als Praxis des antifaschistischen Widerstands und der Geschichtsschreibung von vielen gehört zur DNA des Berliner Herbst­salons und des Gorki in den vergangenen zwölf Jahren. Viele der eingeladenen Künstler*innen beschäftigen sich auch in der Ausgabe 2025 mit persönlicher und kollektiver Erinnerung, Identität und kulturellem Erbe. Im Sinne einer polydirektionalen Erinnerung über die nationale Perspektive hinaus, lädt das Gorki im November 2025 zu verschiedenen Veranstaltungen ein:

Am 15/November wird mit Aynur Doğan eine der bedeutendsten und preisgekrönten kurdischen Sängerinnen unserer Zeit zu Gast im Gorki sein. Mit ihrer kraftvollen Stimme und ihrer außergewöhnlichen musikalischen Erzählkunst verbindet sie die jahrhundertealte Tradition der kurdischen Volksmusik mit zeitgenössischen westlichen Klängen und schafft so eine musikalische Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Ebenfalls am Jahrestag des 15/November thematisiert um 18:30 eine Lecture der Historikerin Zeynep Türkyılmaz, die sich intensiv mit Dersim in der Zeit des Osmanischen Reichs und der Türkischen Republik beschäftigt hat, den Völkermord zwischen 1937 und 1938.

Der Tag findet im Gedenken an Seyit Rıza statt, der am 15. November 1937 in Elazig als kurdisch-alevitischer Anführer in Dersim für seinen Widerstand gegen staatliche Repression hingerichtet wurde. Bei den „Militäroperationen“ in Dersim 1937/38 wurden mehr als zehntausend kurdische Aleviten getötet und mehr als zehntausend Menschen zwangsumgesiedelt. Die Region Dersim wurde weitgehend entvölkert. Menschenrechtsorganisationen bezeichnen die Ereignisse rückblickend als Völkermord.

Am Abend zuvor am 14/November schreitet die Szenische Lesung 
1000 EYES von Mazlum Nergiz, inszeniert von Miraz Bezar, den schmalen Grat zwischen verklärender Mythologie und widerständiger Emanzipation des kurdischen Widerstandskampfes ab. Das Stück erzählt von der zurückbleibenden Leerstelle, die sich aus einer globalen politischen Konfliktzone ergibt, in die sich immer mehr junge Menschen in Europa unter Einsatz ihres Lebens einmischen.


Am 8/November um 19:30 lädt das Gorki gemeinsam mit Philipp Ruch vom Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) und dem Historiker Thomas Weber (Professor of History and International Affairs an der University of Aberdeen) zu DER RAT DER GESCHICHTE ins große Haus des Gorki ein. Im Zentrum des Abends, der Elemente von Vortrag, Talkshow und Senatsanhörung vereint, steht – vor dem Hintergrund eines brüchig gewordenen »Nie wieder« –  die Frage: »Was funktioniert gegen den Extremismus?«

Bereits am 2/ und 4/November erinnerte die multimedial und musikalisch unterlegte Szenische Lesung  VERGESSEN IST KEINE OPTION von Ülkü Süngün und Ali Şirin sowie der SHISHA BAR KONGRESS mit zahlreichen Gästen an die Mordserie und Enttarnung der rechtsextremen Terrorgruppe NSU im November 2011 sowie den weiterhin zu großen Teilen unaufgearbeiteten Anschlag in Hanau am 19. Februar 2020.

Weitere Veranstaltungen im Rahmen des 7. Berliner Herbstsalons unter www.gorki.de/de/REimagine

Über den Berliner Herbstsalon
Hundert Jahre nach dem ersten und letzten »Deutschen Herbstsalon« Herwarth Waldens im Jahr 1913, eröffnete Shermin Langhoff 2013 mit dem ersten Berliner Herbstsalon ihre Intendanz am Maxim Gorki Theater. Der Berliner Herbstsalon verbindet bildende und darstellende Künste im Format einer interdisziplinären Biennale. Er durchleuchtet hegemoniale Konstruktionen von Identität, Einheit, Herkunft und Nation und setzt dagegen eine Geschichtserzählung der Vielen und den bereichernden Widerstreit der Perspektiven. Unter einer gesellschaftspolitisch relevanten Fragestellung kommen internationale und Berliner Künstler*innen verschiedener Herkünfte zusammen, um in der fragmentierten Mitte der Stadt die Brüche und Kontinuitäten von Historie und Gegenwart zu befragen.
Seit der ersten Ausgabe 2013 folgten in den Jahren 2015 bis 2023 fünf weitere Ausgaben des Herbstsalons mit bis zu 22.000 Besucher*innen pro Festivalausgabe und insgesamt mehr als 1.000 beteiligten Künstler*innen, die allesamt dazu einluden »Geschichte persönlich zu nehmen«.


7. Berliner Herbstsalon am Maxim Gorki Theater
2/Oktober–30/November 2025
Öffnungszeiten Ausstellung
Mi & Do 16:00–20:00, Fr & Sa 16:00–23:00, So 12:00–20:00
Eintritt frei


www.gorki.de

Der 7. Berliner Herbstsalon wird gefördert aus Mitteln des Landes Berlin, Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. In Kooperation mit Theater findet Stadt e.V.


Pressekontakt
Maxim Gorki Theater
Hendrik von Boxberg (Pressesprecher 7. Berliner Herbstsalon)
Elisa Thorwarth (Pressereferentin und Stellv. Leitung Kommunikation Gorki)
Nino Medas (Pressesprecher und Leitung Kommunikation Gorki)

Presse 
Maxim Gorki Theater Berlin
Am Festungsgraben 2
10117 Berlin
Tel. 030 - 20221 355 / 392
presse@gorki.de
www.gorki.de  


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7. Berliner Herbstsalon
ЯE:IMAGINE: THE RED HOUSE – Inventories/Interventions/Inventions
2/Oktober – 30/November 2025

Mit Werken von u.a. Nevin Aladağ, Cana Bilir-Meier, Danica Dakić, Zehra Doğan, Daniel Knorr, Hiwa K, Delaine Le Bas, Emine Sevgi Özdamar, Ülkü Süngün, Nasan Tur, Serpil Yeter, Želimir Žilnik und vielen weiteren

Kuratiert von Shermin Langhoff Dramaturgie Erden Kosova (Ausstellung), Johannes Kirsten (Theater), Ong Keng Sen (Performance & Lecture) Rechercheteam Stresemannstraße 30 – Eine Inventur 2025 Hülya Karcı, Erden Kosova, Tunçay Kulaoğlu, Maral Müdok, Gari Vanisian, Mürtüz Yolcu Co-Kurator*innen Programm Roter Salon Tunçay Kulaoğlu & Gari Vanisian (Film), Deniz Utlu & Endre Malcolm Holéczy (Literatur) Kuratorische Assistenz Thalia Hertel (Leitung), Maral Müdok (Ausstellung), Paula Rave (Ausstellung & Performance), Helen Waeder (Theater & Literatur), Theresa Welge (Theater), Asya Yaghmurian (Artist Liaison) Ausstellungsszenografie Alice Faucher Szenografie Assistenz Martha Bamberg, Wanda Prawitt, Paola Schubert, Ruby Wisdom


Weitere Informationen finden Sie in unserem Spielzeitheft.