Pressebrief, 19/April 2024

 

Maxim Gorki Theater im Mai: Berlin-Premiere von DIE RÄUBERINNEN nach Friedrich Schiller in der Regie von Leonie Böhm +++ Screening: GRUNDGESETZ. EIN CHORISCHER STRESSTEST von Marta Górnicka +++ MELY KIYAK HAT KUNST #4 mit Philipp Ruch +++ Ibsen-Preisträgerin Lola Arias mit MOTHER TONGUE +++

Liebe Journalist*innen,
 
am 9/Mai zeigen wir die Berlin-Premiere von DIE RÄUBERINNEN. Leonie Böhms Bearbeitung von Schillers Klassiker Die Räuber (1782), komprimiert den Originaltext auf vier Frauenfiguren. Schiller ging davon aus, dass der Staat uns die Freiheit, die uns zu Menschen macht, nicht geben kann. Er schrieb darum: »Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.« Für Leonie Böhm ist das Theater der ideale Ort für die menschliche Suche nach Freiheit. Die Räuberinnen ist eine Übernahme der Münchner Kammerspiele und fortan Teil des Gorki-Repertoires.
 
Am 24/Mai zeigt das Maxim Gorki Theater an seiner Fassade um 21:05 den 33-minütigen Film von Marta Górnickas Produktion GRUNDGESETZ. EIN CHORISCHER STRESSTEST. Im Anschluss laden wir um 21:45 im Rangfoyer zur Diskussion WHAT ABOUT YOUR CONSTITUTION? mit Susanne Baer – bis 2023 Richterin des Bundesverfassungsgerichts – und Can Dündar, im Berliner Exil lebender ehemaliger Chefredakteur der türkischen Zeitung Cumhuriyet und Gorki-Kolumnist. Per Video aus Warschau dazugeschaltet ist Marta Górnicka, die sich als Nachfahrin überlebender Jüdinnen*Juden in Polen schon in CONSTITUTION FOR THE CHORUS OF POLES mit der polnischen Verfassung und Verfasstheit auseinandersetzte.
 
Bereits am 5/Mai spricht Mely Kiyak im Studio Я im Rahmen ihrer Reihe MELY KIYAK HAT KUNST mit Philipp Ruch vom Zentrum für Politische Schönheit über Kunst als Verfassungsschutz. Im Artikel 5 des Grundgesetzes heißt es: »Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.« Es schützt die Kunst. Was ist passiert, wie bedrohlich muss unsere Lage sein, dass die Kunst sich heute schützend vor die Verfassung stellen muss?
 
Wir gratulieren unserer langjährigen Regisseurin Lola Arias, die den mit 280.000 Euro dotierten Internationalen Ibsen-Preis 2024 erhalten hat. Am 1. Mai, dem »Tag der Arbeit«, ist im Gorki Lola Arias Repertoire-Stück MOTHER TONGUE zu sehen, eine faszinierende Enzyklopädie der Reproduktions- und Care-Arbeit im 21. Jahrhundert. Es gibt weiteren Grund zur Freude: Mit Lola Arias und Marta Górnicka sind zwei unserer Künstler*innen und Koproduktionen zum diesjährigen Festival d’Avignon eingeladen. Am 24/April zeigen wir auf der großen Bühne erneut GESCHWISTER von Ersan Mondtag. Gemeinsam mit Yael Bartana gestaltet er den Deutschen Pavillon der am kommenden Wochenende startenden 60. Kunstbiennale in Venedig.
 
Auch in diesem Mai geht es am Gorki um das zentrale Thema des Theaters, um den Menschen in den Konflikten von Freiheit, Gewalt, Spiel und Gesetz. Im Mai-Repertoire erwarten Sie Stücke und Stoffe von Nora Abdel-Maksoud, Fatma Aydemir, Sibylle Berg, Dinçer Güçyeter, Behzad Karim Khani, Yael Ronen, Sasha Marianna Salzmann und vielen weiteren.
 
Im Folgenden finden Sie eine Vorschau der erwähnten Highlights im Mai. Wir freuen uns auf Sie!
 
 
Beste Grüße
 
Elisa Thorwarth (Referentin Kommunikation und Presse)
Alexander Ostojski (Referent Kommunikation und Presse)
Nino Medas (Pressesprecher und Leitung Kommunikation)
 
Presse
Maxim Gorki Theater Berlin
Am Festungsgraben 2
10117 Berlin
Tel. 030 - 20221 355 / 392
presse@gorki.de
www.gorki.de  
 
 
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Highlights im Mai:

 
Berlin-Premiere
DIE RÄUBERINNEN
9/Mai, 19:30, Bühne

Nach Friedrich Schiller

Regie Leonie Böhm

Mit Gro Swantje Kohlhof, Sophie Krauss, Eva Löbau & Julia Riedler

Im Spiel, schrieb Schiller, sei der Mensch wirklich frei und nach dieser Freiheit sehne er sich. Für die Regisseurin Leonie Böhm ist das Theater ein fantastischer Ort für diese Suche nach Freiheit. Hier wird gespielt und experimentiert – und das live und gemeinsam. Leonie Böhm wählt dazu Die Räuber, das Werk, mit dem sich der junge Schiller selber das erste Mal als Theaterautor ausprobiert hat. Schillers Text erzählt von den Brüdern Franz und Karl Moor, die unter der fehlenden Anerkennung ihres Vaters leiden. Der Vater ist dabei vieles: ein internalisierter Kritiker, Publikum, der Spiegel der Gesellschaft und ein altes Prinzip. Im Versuch sich zu emanzipieren, verlieren sich die Brüder in den Wäldern und in Gedanken. »Wozu ich mich machen will, ist meine Sache nun«, ruft Franz. Warum sollte man nicht nach eigenen Fiktionen leben? Wozu die Schranken? Wie kommen wir wieder ins Spiel? Gemeinsam mit dem Ensemble nimmt Leonie Böhm den alten Text als Material, um es selbst einmal zu versuchen, um die Seele »bei ihren geheimsten Operationen zu ertappen«. Wirkliche Nähe ohne Zwang, eigene Gesetze, keine Angst. Raus aus den Mustern, rein in die Liveness. Ganz »frei« nach Schiller.

Die Räuberinnen ist eine Übernahme der Münchner Kammerspiele.

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Screening
GRUNDGESETZ. EIN CHORISCHER STRESSTEST
24/Mai, 10:00–23:30, Bühne & Studio Я (Außenscreens)
24/Mai, 21:05–23:30, Auf dem Vorplatz

Von Marta Górnicka

Regie Marta Górnicka

Mit Maryam Abu Khaled, Abd-Almalek Arabo, Tamer Arslan, Christian Behrend, Mareike Beykirch, Wera Bunge, Karim Daoud, Saro Emirze, Aylin Esener, Hala Faisal, Tahera Hashemi, Björn Hauke, Lénárd Kókai, Léonie Kurtz, Thibaud Kurtz, Lindy Larsson, Mariette Morgenstern-Minnemann, Nika Mišković, Jasmina Musić, Magda Roma Przybylska, Soraya Reichl, Mathis Reinhardt, Tucké Royale, Filip Rutkowski, Elena Schmidt, Marie-Carlotta Schmidt, Samantha Schote-Ritzinger, Nathalie Seiß, Sandra Selimović, Simonida Selimović, Zora Schemm, Helena Simon, Johanna Skirecki, Peter Sondermann, Fatima Taih, Hasan Taşgin, Füsun Türeli, Volkan Türeli, Annika Weitzendorf, Rika Weninger, Dusty Whistles, Paul Wollin, Mehmet Yılmaz

Wenige hundert Meter Luftlinie vom Maxim Gorki Theater und dem Brandenburger Tor entfernt wurden 1918 zwei deutsche Republiken ausgerufen. Am 3. Oktober 1990 wurde die Vereinigung der zwei deutschen Staaten offiziell beschlossen und die Gültigkeit des Grundgesetzes auf die ehemalige DDR ausgeweitet. Seitdem wird dieser Tag als Tag der Deutschen Einheit gefeiert. Nun ist es an der Zeit einzusehen, dass die Verfassung kein Projekt einer ethnisch homogenen Gruppe ist, sondern das einer vielfältigen Gemeinschaft von Einzelnen. Die polnische Regisseurin und Wiederentdeckerin des chorischen Prinzips Marta Górnicka war bereits mit der Koproduktion Hymne an die Liebe und der Videoinstallation Konstytucia beim 3. Berliner Herbstsalon im November 2017 am Gorki zu sehen. Górnicka zeigt den Chor als eines der kraftvollsten Elemente des Theaters. Mit höchster Präzision choreografiert und dirigiert sie eine Gruppe, die aus sehr verschiedenen Individuen zusammengesetzt ist. Gemeinsam erheben sie eine Stimme unterschiedlicher Stimmen.

Am 3. Oktober 2018 brachte Marta Górnicka das Grundgesetz in einem von ihr bearbeiteten Libretto vor dem Brandenburger Tor mit einem Chor von 50 professionellen und nichtprofessionellen Schauspieler*innen aus den unterschiedlichen Spektren der Zivilgesellschaft zur Aufführung. Am 25. Mai 2019 waren sie zu Gast in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht anlässlich des 70-jährigen Jubiläums des Grundgesetzes.

Zum 75. Jubiläum des Inkrafttretens des Grundgesetzes zeigen wir die Performance am 24/Mai 2024 auf den Außenbildschirmen und als großes Screening auf der Außenfassade. Außerdem diskutieren im Rangfoyer die ehemalige Richterin des Bundesverfassungsgerichts Susanne Baer, der Journalist Can Dündar und Marta Górnicka.

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Talk
WHAT ABOUT YOUR CONSTITUTION?
24/Mai, 21:45, Foyer

Mit Susanne Baer, Can Dündar & Marta Górnicka

In der Inszenierung Grundgesetz skandiert ein 50 köpfiger Chor aus professionellen und nicht professionellen Performer*innen die Artikel eines Textes, dessen Utopie Gehalt ungebrochen ist: »Die Würde des Menschen ist unantastbar«. Zum 75. Jubiläum des Inkrafttretens des Grundgesetzes zeigen wir die Performance auf den Außenbildschirmen und als großes Screening auf der Außenfassade. Dazu diskutieren u. a. die ehemalige Richterin des Bundesverfassungsgerichts Susanne Baer, der Journalist Can Dündar und Marta Górnicka über Aktualität, Verbesserungspotentiale und Bedrohungen unserer Verfassung, auch im Hinblick auf die Situationen in Polen und der Türkei.

Englisch

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Begegnung
MELY KIYAK HAT KUNST »KUNST ALS VERFASSUNGSSCHUTZ«
5/Mai, 20:30, Studio Я

Mit Mely Kiyak & Philipp Ruch

»Weil wir glauben, dass der Kampf um Menschenrechte radikaler geführt werden muss. Er wird nicht mit Hashtags, Lichterketten und Online-Petitionen, sondern mit Phantasie gewonnen. Das nützlichste Werkzeug ist die Fiktion«.

In der vierten Ausgabe von Mely Kiyak hat Kunst ist Deutschlands relevantester politischer Aktionskünstler, Philipp Ruch, Gründer des Zentrums für Politische Schönheit, zu Gast. Ein Abend über Verfassungstreue, Witz und Widerstand.

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Repertoire
MOTHER TONGUE
1/Mai, 18:00, Bühne

Text & Regie Lola Arias

Mit Sandra Ruffin, Nyemba M’Membe, Millay Hyatt, Alice Gedamu, Kay Garnellen, Cochon De Cauchemar & Ufuk Tan Altunkaya

Im Jahr 2022 ist das Recht zu entscheiden, wann und wie man Mutter wird, immer noch ein umstrittenes. Vielerorts wird für eine legale Abtreibung gekämpft, während mancherorts das Gesetz rückgängig gemacht werden soll. Der Diskurs polarisiert sich um zu hohe oder zu niedrige Geburtenraten, um künstlichen Befruchtung, die Legalisierung der Leihmutterschaft, die Adoption durch Alleinstehende und homosexuelle Paare. Mutterschaft ist politisch. Geschrieben aus den Erzählungen von Müttern mit Migrationsgeschichte, von Transvätern, von heterosexuellen Müttern, die auf künstliche Befruchtung zurückgreifen, von schwulen Vätern mit Kindern, von Frauen, die abgetrieben haben, von Frauen, die keine Kinder haben wollen.

Mother Tongue ist eine Enzyklopädie der Reproduktion im einundzwanzigsten Jahrhundert. In einem hybriden Raum zwischen Bibliothek und Kuriositätenkabinett, in dem Dokumente, Filme und Musik ausgetauscht werden, rekonstruieren die Performer*innen die Vergangenheit und diskutieren die Zukunft.

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Repertoire
GESCHWISTER
24/April, 19:30, Bühne

Regie Ersan Mondtag

Mit Çiğdem Teke, Falilou Seck, Sema Poyraz, Tina Keserovic, Lea Draeger, Yanina Cerón, David Bennent & Ariane Andereggen

Ein Tag im Leben einer Familie in West-Deutschland. Der Tagesablauf von Mutter, Vater und drei Kindern, am 2. Juni 1967. Zeitsprung. Die Kinder der Schweige-Generation treten ihr Erbe an. Im Zentrum der Inszenierung von Ersan Mondtag steht das Weiterwesen des Nationalsozialismus in einer bundesrepublikanischen, bürgerlichen Familie bis zum Beginn der Nullerjahre und den ersten Morden des NSU. Welche Last wiegt auf denjenigen, die sich trauen, ihren Eltern gegenüber oppositionell zu sein? Und wie stark sind die materiellen und ideologischen Kontinuitäten des rechten Erbes heute noch? Wie unterschiedlich können Lebenswege sein, die vom scheinbar gleichen Punkt aus starten? Wer trifft welche Entscheidungen und warum in dieser Familie? Wer hat eine Wahl? Und wer redet sich raus?