Die Zukunft scheint düster. Der Eindruck einer vielschichtigen politischen, sozialen, ökologischen und humanitären Katastrophe verursacht Gefühle von Hilflosigkeit und Angst. Ausgelöschte Städte, Kriegstrümmer, überflutete und verdorrte Landschaften sind zur Kulisse unseres Denkens geworden. In ihr hallen die Vorhersagen und Warnungen wider, die ignoriert wurden.
Im antiken Troja war es das Schicksal der Prophetin Kassandra, Unheil verkündende Bilder der Zukunft vorherzusehen, ohne dass ihre Warnungen Beachtung fanden. Heute werden die Stimmen ganzer sozialer Gruppen durch eine ähnliche Ignoranz ausgeblendet, während apokalyptische Prognosen selbsternannter Kassandras zunehmend an Einfluss gewinnen, über Nationen und Menschen. Die polnische Theaterregisseurin und Autorin Marta Górnicka sucht nicht nach düsteren Prophezeiungen, sondern macht sich auf die Suche nach den wahren Kassandras unserer Zeit. Nach Stimmen, die nicht gehört werden. Stimmen, die attackiert werden. Stimmen ohne Lobby. Sie bringt eine Gruppe von Menschen zusammen, die verschiedene Generationen, Sprachen, Fähigkeiten und Lebenserfahrungen umfasst – darunter die jüngsten und ältesten Rapperinnen Berlins, Kinder, Jugendliche und viele, viele mehr. Als Kassandra-Chor schreiben diese zeitgenössischen Stimmen eine neu interpretierte, vielstimmige Geschichte von Kassandra. Gemeinsam untersuchen sie, was wir als Gesellschaft aus unserem Blickfeld zu verdrängen neigen, was uns bevorsteht und schon jetzt direkt vor unseren Augen liegt, was ungesagt bleibt, was uns voneinander trennt und was wir gemeinsam haben. Und sie singen ein machtvolles Lied.
»Das Kassandra-Syndrom – die Erfahrung, dass den eigenen berechtigten Sorgen nicht geglaubt wird und diese Zurückweisung zu psychischen Belastungen und Leiden führt – scheint mir eine gemeinsame Erfahrung und ein Zustand unserer Zeit zu sein. Jeden Tag werden ganze soziale Gruppen gesellschaftlich ignoriert und zum Schweigen gebracht. Ihre verletzlichen Stimmen sind für mich wie der Gesang der Kanarienvögel im Bergwerk. Mit dem KASSANDRA CHORUS bringe ich diese Stimmen auf die Bühne, um gemeinsam ein Lied der Ermächtigung zu singen. Solange die Kanarienvögel weiter singen, sind wir am Leben.« – Marta Górnicka
Mit Kindern, Jugendlichen & Erwachsenen
Uraufführung 18/April 2026