Sehr geehrte Journalistinnen und Journalisten,
wir möchten Sie herzlich zur Berichterstattung über die Ausstellung zur Aufarbeitung des NSU-Komplexes OFFENER PROZESS und das umfangreiche Begleitprogramm unter dem Titel ’61–’91–’21: IMMER WIEDER DEUTSCHLAND einladen. Die Ausstellung und das Rahmenprogramm finden vom 1. Oktober bis 12. Dezember in der Reihe 5. Berliner Herbstsalon statt.
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Die Reihe 5. Berliner Herbstsalon 2021–2022
Der 5. Berliner Herbstsalon 2021–2022 bleibt dem Diskurs um Nation, Identität und Zugehörigkeit an der Schnittstelle von Kunst und Politik mit Künstler*innen und Aktivist*innen aus intersektionaler Perspektive treu, verabschiedet sich aber vom Format eines dreiwöchigen Festivals und wird zu einer Reihe mit verschiedenen Einzelausstellungen und interdisziplinären Projekten in den Jahren 2021 und 2022.
Die Ausstellung Offener Prozess, kuratiert von Ayşe Güleç und Fritz Laszlo Weber, wird im Rahmen des 5. Berliner Herbstsalon präsentiert. Sie widmet sich der Aufarbeitung des NSU-Komplexes, den Kontinuitäten rechter und rassistischer Gewalt und des Widerstands dagegen. Begleitend zur Ausstellung geht das umfangreiche Rahmenprogramm unter dem Titel ’61–’91–’21: Immer wieder Deutschland mit Diskursformaten, Konzerten und Filmvorführungen näher auf Erfahrungen mit Rassismus, Rechtsextremismus und Klassismus ein und zeigt (post-)migrantische Strategien des künstlerischen und aktivistischen Widerstands auf.
Offener Prozess
Kurator*innen Ayşe Güleç & Fritz Laszlo Weber Kuratorische Beratung Gorki Erden Kosova Dramaturgie Gorki Edona Kryeziu Künstlerisches Projektmanagement Elena Sinanina Produktionsleitung Alexa Gräfe Szenografie Pia Grüter Technischer Leiter Gorki Joachim Hering
Die Ausstellung Offener Prozess entwirrt die komplizierte Hintergrundsituation, die den Serienmorden der rechtsextremen Terrorgruppe NSU zwischen 2000 und 2006 den Weg ebnete. Das Projekt hinterfragt das offizielle und gängige Narrativ, das die Gräueltaten weiterhin als Einzelfälle von ideologischem Fanatismus definiert, und zeigt verschiedene Ebenen des institutionellen Rassismus auf, der offen oder latent in die Arbeitsweise der Staatsapparate und das tägliche Leben eingeflossen ist. Im Gegensatz zur lähmenden Zuschreibung der Opferrolle an diejenigen, die ihr Leben verloren haben, geben mehrere Arbeiten in Offener Prozess deren Verwandten und Gemeinschaften eine Stimme, die sich dem ihnen auferlegten Schweigekonsens widersetzen. Mit dem Ansatz eines »lebendigen Erinnerns« rückt die Ausstellung so marginalisierte Perspektiven in den Mittelpunkt. Aktivistische Initiativen erinnern an diejenigen, die Opfer rassistischer Gewalt geworden sind und die lauten Stimmen derer, die sich dagegen zur Wehr setzen. Zuhören wird hier als politische Praxis verstanden, Erinnern als Prozess. Diese Ausstellung fordert zum Handeln. Im Rahmen der Ausstellung findet ein umfangreiches Vermittlungsprogramm mit Workshops und Führungen statt.
Die Ausstellung ist im Rahmen des Projekts Offener Prozess – NSU- Aufarbeitung in Sachsen des ASA-FF e.V unter der Leitung von Hannah Zimmermann und Jörg Buschmann entstanden. Das Kurator*innenteam Ayşe Güleç und Fritz Laszlo Weber hat im Auftrag des Projekts Offener Prozess das künstlerische, gestalterische und kuratorische Konzept der Ausstellung entwickelt. Irène Mélix ist verantwortlich für die Ausstellungsproduktion und die Konzeption der Webausstellung. Für das Vermittlungsprogramm sowie die politische Bildungsarbeit im Kontext der Ausstellung sind Ayşe Güleç, Juliane Phieler und Hannah Zimmermann verantwortlich.
Der Berliner Herbstsalon wird gefördert aus Mitteln des Landes Berlin, Senatsverwaltung für Kultur und Europa
Die Ausstellung ist eine Kooperation mit Offener Prozess (www.offener-prozess.de), ein Projekt des ASA-FF e.V.
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Ausstellungseröffnung
1. Oktober, 17:30 Uhr, Container
Redebeiträge von Ayşe Güleç, Fritz Laszlo Weber, Shermin Langhoff, Erden Kosova
Anschließend Führungen durch die Ausstellung
Öffnungszeiten Ausstellung:
Mo - Fr: 16:00 - 22:00
Sa + So: 12:00 - 22:00
im Studiofoyer, Kiosk, Palais am Festungsgraben
EINTRITT FREI!
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’61 – ’91 – ’21: Immer wieder Deutschland
Rahmenprogramm zu Offener Prozess
Kuratiert von Yunus Ersoy Mitarbeit Kuration Edona Kryeziu Ausstattung Jeeyoung Shin Dramaturgieassistenz Ivo Dreger Produktionsleitung René Dombrowski , Lucia Leyser , Johanna von Rigal
Kuratorische Beratung Kein Schlussstrich! Bundesweites Theaterprojekt zum NSU Komplex Technische Direktion Etienne Arnaud
10 Jahre nachdem der NSU öffentlich wurde, jährt sich das Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei zum 60. Mal. Im Blick zurück zeigt sich die jüngste Geschichte Deutschlands als oft tödliche Suchbewegung, wie produziert werden soll und wer zur Bevölkerung zählt. Während Betroffene von Staatsapparaten und der politischen Öffentlichkeit im Stich gelassen wurden, etablierte sich eine künstlerische und aktivistische Auf-, Be- und Verarbeitung in Vereinen, Popkultur, Theater und Wissenschaft. Die Veranstaltungsreihe gibt migrantisch situiertem Wissen sowie durch sie geprägte Kunst eine Bühne.
’61–’91–’21: Immer wieder Deutschland wird gefördert aus Mitteln des Landes Berlin, Senatsverwaltung für Kultur und Europa
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Veranstaltungen des Rahmenprogramms ’61 – ’91 – ’21: Immer wieder Deutschland im Oktober
Eröffnungspodium
1. Oktober, 19:30 Uhr, Container + Live-Stream
Ülkü Süngün im Gespräch mit Vertreter*in Initiative 19. Februar und weiteren Gästen
Die Künstlerin und Aktivistin Ülkü Süngün sucht mit ihren Gästen nach Strategien, wie eine Opferkonkurrenz vermieden und stattdessen echte Solidarität trotz heterogener Betroffenheit gelebt werden kann.
Sema Moritz
Konzert
1. Oktober, 21:00 Uhr, Bühne
Mit ihrer Musik kreiert Sema Moritz Momente gerührter Erinnerung und fasziniert mit der stets tonangebenden Aktualisierung wohl bekannter Melodien. Das Konzert bietet ruhige Momente des Gedenkens ebenso, wie es eine große Feier des Lebens ist.
TAKDİR. Die Anerkennung
Performative Intervention
2. Oktober, 17:30 Uhr + 3. Oktober, 16:00 Uhr, Haupteingang
von und mit Ülkü Süngün
In ihrer partizipativen Performance schafft die bildende Künstlerin einen flüchtigen akustischen Erinnerungsraum für die durch den sogenannten NSU Ermordeten. Mit einzelnen Teilnehmenden übt sie die richtige Aussprache der Namen ein. Im kollektiven Aussprechen der Opfernamen schwillt ein Chor an, der gedenkt.
Tice
Nashi44
Neromun
Drei Konzerte
2. Oktober, 18:00 Uhr, Container
Drei junge Künstler*innen erzählen aus diverser Perspektive rappend von ihrer Lebensrealität.
Mauern 3.0
Screenings: Duvarlar – Mauern – Walls (2000) + Mauern 2.0 (2011)
3. Oktober, 18:00 Uhr, Container
Anschließend Gespräch mit Can Candan, Jana König, Inga Turczyn, Elisabeth Steffen, sowie Sanem Kleff
Auf Deutsch und Türkisch mit Deutscher Simultanübersetzung (Oliver Kontny)
Die Regisseur*innen der Filme sowie eine darin porträtierte Protagonistin (Sanem Kleff) sprechen im Anschluss ans Doppel-Screening über die Entwicklung zwischen den beiden Projekten und in den 10 Jahren seither – ein migrantischer Blick auf den Mauerfall.
Regisseur Can Candan befragte 1990/91 für seinen Film Duvarlar – Mauern – Walls Türkei-stämmige Berliner*innen zu den Folgen der Wende auf ihren Alltag. Diese hinterfragen ihre Zukunft im wiedervereinigten Deutschland und berichten von zunehmenden rassistischen Erfahrungen.
In Mauern 2.0 befragen die Filmemacher*innen Jana König, Elisabeth Steffen und Inga Turczyn, zehn Jahre später, einige Protagonist*innen erneut: »Wie werden Rassismus, Nationalismus und ökonomische Ausbeutung jetzt gesehen?«
Chefket
Konzert
3. Oktober, 22:00 Uhr, Bühne
Die Rapstimme aus Berlin-Kreuzberg ist seit über zehn Jahren in der deutschen Hip-Hop-Szene aktiv und inspiriert das Publikum nicht nur mit seinen Skills, sondern auch mit klugen Texten über Identität, Alltagsrassismus, Alltagsbewältigung in Zeiten des Kapitalismus. Das künstlerische Engagement verbindet sich bei ihm mit dem Künstlerischen: Seinen Song zum Gedenken an den Anschlag in Hanau schickte der Kreuzberger allen Spender*innen persönlich zu.
Benim Adım Yabancı/Mein Name ist Ausländer
Gespräch zu Semra Ertans Werk und Zeit
15. Oktober, 18:00 Uhr, Container
von und mit Cana Bilir-Meier und Zühal Bilir-Meier
Moderation Osman Okkan
Semra Ertans Gedichte berichten von Rassismus und Klassendiskriminierung und fordern zu Solidarität und Widerstand auf. Ihre Schwester Zühal Bilir-Meier und ihre Nichte Cana Bilir-Meier präsentieren das Werk und sprechen unter anderem über den langen Weg, den die beiden Herausgeberinnen bis zur ersten eigenständigen Publikation gehen mussten. Ein lyrischer Gedenkabend für Semra Ertan, moderiert von Osman Okkan.
Der Journalist und Filmemacher Osman Okkan wurde 2014 mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland geehrt und hat sich über die eigene Arbeit hinaus u.a. mit deutsch-türkischen Journalistenprogrammen oder auch der Mitbegründung des Kölner Hrant Dink-Forums vielfältig für die Völkerverständigung eingesetzt.
»Ich bin auch da«
Die Anfänge des türkischen Theaters in Berlin
Lecture Performance
16. Oktober, 17:00 Uhr, Container + Online
von und mit Mürtüz Yolcu sowie Natalie Maier (FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum)
Der Zeitzeuge Mürtüz Yolcu und die Sammlungsleiterin vom FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum präsentieren zeitgeschichtliche Archiv-Dokumente des migrantischen Theaters in Berlin. Sie erzählen von den Anfängen im Theater in der Volkshochschule in Kreuzberg und zeichnen den persönlichen Weg Yolcus nach, der später ans Tiyatrom, von dort zum Familien-Theater und zum Diyalog-Festival führten – also bis ans Ballhaus Naunynstraße, bevor dort das postmigrantische Theater ausgerufen wurde.
In Zusammenarbeit mit dem FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum
Laboratorien des Postmigrantischen
Podiumsgespräch
16. Oktober, 19:30 Uhr, Container
Kuratiert von Massimo Perinelli
Moderation Dan Thy Nguyen Mit Cana Bilir-Meier, Talya Feldman u.a.
Während sich die migrantische Linke in den 1960er bis 1980er Jahren in Betrieben, Stadtteilzentren, besetzten Häusern und auf der Straße organisierte, öffneten nach dem Mauerfall und bis heute zunehmend Theater und Galerien ihre Türen und wurden zum Versammlungsort für postmigrantische Bewegungen, Kämpfe um Bürgerrechte und die Suche nach solidarischen Beziehungsweisen und damit zu Laboratorien einer zukünftigen Gesellschaft der Vielen. Auf diesem, in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung veranstalteten Podium steht die Frage im Zentrum, wie die vielschichtige Zusammenarbeit marginalisierter Aktivist*innen, politischer Bildner*innen und Künstler*innen in die Zukunft gedacht werden kann und muss.
In Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Transgenerational Belonging
Podiumsgespräch
29. Oktober, 20:30 Uhr, Container + Online
Mohamed Amjahid im Gespräch mit Sema Poyraz, Sesede Terziyan und Aysima Ergün
Sema Poyraz, Aysima Ergün und Sesede Terziyan haben mindestens zwei Dinge gemeinsam. Sie sind Gorki-Schauspieler*innen und Zeitzeug*innen des migrantisierten Lebens in Deutschland. Bei einem »3-Generationen-Gespräch« treffen sie aufeinander, schlüpfen in die Metaphern-Rolle und sprechen als drei Generationen am Vorabend des 60. Jahrestags auf die Entwicklung seit dem Deutsch-Türkischen Anwerbeabkommen.
Der freie Journalist Mohamed Amjahid wurde mit verschiedenen Preis geehrt, u.a. dem Nannen-Preis und ist auch als Autor publizistisch tätig. Jüngst erschienen ist Der weiße Fleck: Eine Anleitung zu antirassistischem Denken (2021).
Meyhane
DJ-Set & Buffet von Bülent Kullukcu (Songs of Gastarbeiter)
29. Oktober, 22:30 Uhr, Foyer
Gurbet ist nicht nur das Exil sondern ein Gefühl. Deshalb: Meze, Rakı & Songs of Gastarbeiter im DJ-Set von Bülent Kullukcu. Den Übergang zum 60. Jahrestag des Deutsch-Türkischen Anwerbeabkommens begeht das Gorki also tanzend und mit Buffet.
In fremder Erde
Screening des Films und anschließendes Gespräch
30. Oktober, 17:00 Uhr, Container
mit Ayhan Salar & Johannes Kirsten (Dramaturgie Gorki)
Der Film zeigt Traditionen islamischer Bestattungen in der Türkei und in Deutschland, vor allem aber die Wege Verstorbener zurück in die anatolische Erde. Anschließendes Gespräch zu Tod, Rassismus und Klasse im Film und Theater. Ein Gespräch zwischen Regisseur und Dramaturg.
Ata Canani & Karaba
Konzert
30. Oktober, 22:00 Uhr, Container
Endlich mit einer Platte im Gepäck, präsentiert der Erfinder des türkischen Rock'n'Roll mit deutschen Texten Klassiker wie Deutsche Freunde und ungehörte Lieder seines neuen Albums Warte mein Land, Warte.
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ZEIT SICH ZU ERINNERN
Lecture Performance + Gespräch
31. Oktober, 20:00 Uhr, Bühne
von und mit Abdurrahman Gümrükçü, anschließend Gespräch mit Shermin Langhoff.
Der »erste Gastarbeiter« Deutschlands berichtet multimedial über die Anfänge des Anwerbeabkommens und seiner Lebensrealität als Fabrikarbeiter in Nürnberg. In einem anschließenden Gespräch unterhält er sich mit der Gorki-Intendantin Shermin Langhoff.
Rahmenprogramms ’61 – ’91 – ’21: Immer wieder Deutschland in November und Dezember
Im November widmet sich das Programm insbesondere (szenischen) Lesungen mit Autor*innen wie Özlem Özgül Dündar (türken, feuer) und Tuğsal Moğul (Auch Deutsche unter den Opfern). Darüber hinaus gestaltet Max Czollek am 9. November einen Abend zur Erinnerungskultur.
Im Dezember wird auf einem Podium der Zusammenhang zwischen Rap, migrantisiertem Leben und Klassismus beleuchtet, bevor am 12. Dezember ein großer Abschlussabend mit der Premiere von Berlin Kleistpark. 2. Teil der Stadt-Trilogie (Text & Regie: Hakan Savaş Mican), einem Konzert und anschließender Party gefeiert wird.
Kuratiertes Repertoire
Die für Oktober-Dezember geplanten Stücke
· 1000 Serpentinen Angst (R: Anta Helena Recke)
· Berlin Oranienplatz. 1. Teil der Stadt-Trilogie (R: Hakan Savaş Mican)
· Futureland (R: Lola Arias)
· Hamlet (R: Christian Weise)
· Hamletmaschine (R: Sebastian Nübling)
· Roma Armee (R: Yael Ronen)
· STILL LIFE (R: Marta Górnicka)
· The Situation (R: Yael Ronen)
· Streulicht (R: Nurkan Erpulat)
· Die Verlobung in St. Domingo – Ein Widerspruch. Von Necati Öziri gegen Heinrich Von Kleist (R: Sebastian Nübling)
· Verrücktes Blut (R: Nurkan Erpulat)
verbinden sich außerdem explizit mit den Inhalten von Ausstellung und Rahmenprogramm.