Four Faces of Omarska ist eine investigative Gedenkpraxis und eine Plattform, die sich mit den Strategien der Gedenkstättenproduktion anhand von Erfahrung und Wissen, das unterdrückt, abgelehnt und aus der öffentlichen Erinnerung und Geschichte ausgeschlossen wurde, beschäftigt. Sie fragt, wie ein Ort der Gräueltaten zu einem Ort des Lernens auf der Grundlage von Solidarität und Gleichheit wird.
Der Titel bezieht sich auf die vier konstitutiven Schichten der Geschichte des Bergbaukomplexes im Nordwesten Bosniens und Herzegowinas, der in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien als Eisenerzmine gegründet wurde. Zu Beginn der Jugoslawienkriege im Jahr 1992 verwandelten bosnisch-serbische Truppen und lokale Behörden die Mine in ein Folter- und Todeslager für jugoslawische Muslime, Kroaten und politische Gefangene. Nach dem Krieg, im Jahr 2004, übernahm ArcelorMittal, das weltweit führende transnationale Stahl- und Bergbauunternehmen, die Mehrheitsbeteiligung an der Omarska-Mine und nahm den kommerziellen Bergbaubetrieb wieder auf. Schließlich wurde sie 2007 als Drehort für den Film Saint George Slays the Dragon genutzt, einen historischen Ethno-Blockbuster, koproduziert von Filmgesellschaften aus Serbien und der Republika Srpska. Das Projekt ist ein Gemeinschaftswerk, an dem Autor*innen und Einzelpersonen mit unterschiedlichsten praktischen wie örtlichen Hintergründen beteiligt sind, die an verschiedenen Zeitpunkten zu dem Projekt beigetragen haben. Es umfasst ein breites Spektrum an zeitgenössischen Ideen und Aktivitäten, das sich aus Bereichen der aktivistischen Interventionen, Geisteswissenschaft, Kunst, Architektur und der Kritik an der Politik von Wissenschafts- und der Traumabewältigung in Bosnien und Herzegowina zusammensetzt. Die Ausstellung nutzt die Methode der öffentlichen Montage, einer kollektiven offenen Bearbeitung, um die Komplexität der ineinander verschlungenen Schichten von traumatischen Geschichten, Ausbeutung und anhaltender Gewalt einander gegenüberzustellen und zu untersuchen.
Diese neueste Ausgabe von Four Faces of Omarska, die im Zuge des 6. Berliner Herbstsalon zum ersten Mal gezeigt wird, rückt die post-genozidale, ethnisch-gesellschaftliche Spaltung in den Mittelpunkt und zeigt, wie das politische Erbe des Krieges durch globale wirtschaftliche Investitionen fortgeschrieben wird. Sie untersucht die Architektur und noch unerforschte, neue Erscheinungsformen von Konzentrations- und Kriegsgefangenenlagern, die zu Beginn des Krieges in Jugoslawien entstanden und durch neue Formen der Urbanität, Wirtschaft und Sozialisierung während des Übergangs nach dem Krieg fortbestehen. Diese Ausgabe unterstreicht außerdem die Anerkennung von Vergewaltigungen in Kriegszeiten als Kriegsverbrechen nach internationalem Recht.
ÖFFNUNGSZEITEN
28/September–10/Dezember
Di–Do 18:00–22:00
Fr–So 14:00–22:00
Fotos: Andrea Peković, 2017, Sara Čorbić, Sanja Petkovska and Stasha Tomić
Im Rahmen des 6. Berliner Herbstsalon 2023 LOST – YOU GO SLAVIA